Konservierte Erinnerungen

In meinem Garten wuchsen mir in diesem Jahr die Andenbeeren (lateinisch Physalis) über den Kopf - oder besser gesagt überall bis zur Hüfte. Seit ein paar Tagen sind diese nun erntereif und es ist mir unmöglich sie alle sofort zu verzehren. So habe ich entschieden die Beeren zusammen mit Knoblauch und Chili zu fermentieren. Ich freue mich schon auf den nächsten Raclettabend...
Als ich also in meiner Küche stand und am Werke war, gingen mir viele Erinnerungen an meine beiden Grossmütter und meine Mutter durch den Kopf... 

 

Das Einkochen, Fermentieren, Destillieren und sonstige Haltbarmachen von Nahrungsmitteln weckt im mir immer wieder etwas tief Emotionales und Kulturelles, das mit meiner Familie, insbesondere meinen Grossmüttern und meiner Mutter, verbunden ist. Sicher kann man sagen es sei halt ein Handwerk oder eine Tradition. Ist es aber nicht auch eine Art spirituelle oder emotionale Brücke zu den Vorfahren, speziell den Frauen, die oft als Hüterinnen alter Küchengeheimnisse und Familienrezepte gelten?

 

Oft gehören zum Einmachen Techniken, die von Generation zu Generation weitergegeben werden und in den Familien verwurzelt sind. Viele Menschen haben Rezepte, die direkt von den Ahnen stammen und bei denen es nicht nur um die Zutaten geht, sondern um die Erinnerungen, die damit verbunden sind– die Küche der Grossmutter, der Duft von frischen Früchten oder fermentierendem Gemüse, die Liebe, die sie in ihre Zubereitung gesteckt hat.

 

Das "Einmachen" ist für mich auch ein Symbol für das, was frühere Generationen gelernt haben: alles zu nutzen und zu bewahren. Unsere Ahnen lebten oft in Zeiten, in denen nichts verschwendet wurde. Das Einmachen und Fermentieren sind Praktiken, die in schwierigen Zeiten entwickelt wurden, um Lebensmittel länger haltbar zu machen. Indem wir diese Methoden heute anwenden, ehren wir nicht nur die Praktiken unserer Vorfahren, sondern auch deren Resilienz und Weisheit.

 

Das bewusste Durchführen dieser Handlungen – das Schälen von Früchten, das Kochen von Konfitüre, das Warten auf den Fermentationsprozess – kann auch als eine Art Ritual gesehen werden, das uns zurück zu unseren Wurzeln bringt. Es verbindet uns auf einer tiefen emotionalen Ebene mit unseren Ahnen. 

Die Aromen und Geschmäcker können Erinnerungen an gemeinsame Mahlzeiten oder besondere Momente in der Kindheit hervorrufen. Es ist fast so, als ob man die Vergangenheit wieder aufleben lässt. 

 

Auf einer tieferen Ebene könnte das Einmachen aber auch als Symbol für den Prozess des Erhaltens von Erinnerungen und Erfahrungen gesehen werden.

Wie beim Fermentieren, wo Zeit und natürliche Prozesse etwas Neues schaffen, kann auch die emotionale Verbindung zu den Ahnen, als etwas betrachtet werden, das durch Zeit und Bewahrung wächst und sich weiterentwickelt. Es ist, als ob man die Essenz der Ahnen bewahrt und in die Gegenwart bringt, so wie man die Essenz von Früchten oder Pflanzen durch diese Methoden konserviert.